18 Juli 2007

Kommissare

In Bad Münder wurden nach dem Krieg mehr als 2000 Vertriebene aufgenommen. Viele Orte in Niedersachsen, so heißt es in dem kleinen Heimatmuseum, hätten nach dem zweiten Weltkrieg das Problem gehabt, nicht zu wissen, wohin mit den Vertriebenen. In dem ehemaligen Adelshof in der Kernstadt wurde den Neubürgern ein Raum gewidmet, die damals alles andere als willkommen geheißen wurden. Das zeigte sich nicht nur daran, dass es schwierig war, Quartiere für sie zu finden, sondern auch daran, dass manche Bürgermeister aktiv die Rücksiedelung, Aussiedelung oder erneute Vertreibung organisierten.
Ein Zeitungsartikel, dort aufbewahrt, berichtet von einer besonders dramatischen Form der Abschiebung: Nach dem Krieg reisten eine Zeitlang kommunistische Kommissare durch die besetzten Zonen, um Menschen aufzuspüren, die aus der ehemaligen und damaligen UDSSR z. B. als Wolgadeutsche nach Westdeutschland oder in die sowjetisch besetzte Zone geflüchtet waren. Nach einem Geheimabkommen zwischen den Siegermächten sollten diese wieder zurück nach Russland. Der Bürgermeister von Meißendorf soll sich bei dieser Repatriierung besonders hervorgetan haben, aber auch die Vorsteher anderer niedersächsischer Gemeinden. Der Meißendorfer, den heute niemand mehr kennt, soll die von den Kommissaren benannten Menschen eigenhändig unter Androhung von Gewalt gezwungen haben, das Dorf in Richtung Osten zu verlassen.
Mir fiel Meißendorf auf, da es in der Nähe von Bannetze liegt, das wiederum zu Winsen/Aller gehört. Das kenne ich, da meine Frau im vergangenen Jahr dort unglücklicherweise ein Haus geerbt hat. Auch Bannetze, Thören, Wietze und die anderen Dörfer versuchten, sich eines Teils der Flüchtlinge auf diese Weise zu entledigen. Rund, wenn ich das richtig erinnere, 200.000 Menschen fielen diesen Kommissaren zum Opfer, und das kann wörtlich genommen werden. Die wurden nicht einfach wieder an der Wolga angesiedelt, sondern kamen auf Geheiß Stalins in Straflager nach Sibirien: Willkommen im GULAG.
Jeder der damals vor den Russen flüchtete, wußte, warum er das tat. Wer diese Flüchtlinge den Russen wieder auslieferte, wußte auch, was er diesen antat. Diese kleine Fußnote der Geschichte ist heute weitgehend vergessen. Die Schuld aber, die damals Bevölkerung und Amtspersonen auf sich geladen haben, ist ungesühnt, wie so vieles.

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