24 Juni 2005

Machtfragen

Manchmal durchzuckt es einen von plötzlicher Erkenntnis, vielleicht auch nur einer vermeintlichen. Dann hat mensch das Gefühl, einen Zipfel von Welterklärung in der Hand zu haben.
Mir ging es gestern Abend so, bei der Suche nach den Gründen für das ökonomische Desaster in der BRD, auf der Suche nach den neuen Brakteaten für Hamburg oder Deutschland.
Warum haben die Schrödersche SPD und die Kühn/Bütikoferschen Grünen abgewirtschaftet? Kaum eine Chance mehr, Wahlen in den nächsten fünf Jahren zu gewinnen? Ihnen war die Machtfrage keine politische mehr.
Wirtschaftliche Entwicklung, wie politische Entwicklung, ist eine Machtfrage.

Geschrieben hat das Martin Herzog aus der Schweiz auf seiner lesenswerten, aber nicht immer leicht verdaulichen Interseite "brainworker.ch". Eine Politik, die sich den wirtschaftlichen Kräften ausliefert, hat schon verloren.
Nun ist es ja nicht so, als ob die Parlamente nicht mehr arbeiteten, also Gesetze berieten und beschlössen, im Gegenteil, am Ende der Legislaturperiode des Bundestags wird es wieder heißen, dass dieser der fleißigste in der Geschichte der BRD sei.
Die öffentliche Wahrnehmung aber ist eine ganz andere: "Der Macht der Globalisierung können wir nichts entgegensetzen" ist die kommunizierte Botschaft. Ja, wenn das so ist, wenn die Sachzwänge regieren, können wir uns als Wahlbürger auch gleich den Ultraliberalen in die Arme werfen, die wissen dann vielleicht, wovon sie reden.

Machtfragen sind immer substantiell: Wer gibt die Regeln vor, wann Unternehmen abwandern dürfen? Wie Boden genutzt wird? Wie Gesundheit organisiert ist? Wie Wasser, Energie, Bewegung bereitgestellt wird? Wie Arbeit organisert wird? Wie Bildung? Schröder hat sich denjenigen ausgeliefert, die nicht anders können, als die Kapitalrendite im Auge zu haben. Das ist deren gutes Recht. Hah, da wundern Sie sich?
Wenn aber diejenigen auch die Regeln machen dürfen, die nur unilateral handeln können, wo multilaterales Handeln und Denken angemessen ist, dann muß sich die SPD nicht wundern, aber auch nicht die Grünen, dass ihr Anspruch auf Führung obsolet wird: Sie haben diese nämlich schon abgetreten.

Beispiele für die Argumentation mit Sachzwängen gibt es tausende: Die behauptete Alternativlosigkeit von Hartz IV ist nur eine. Weitere erspare ich mir hier.

Die Nachfolgerin von Schröder wird sich daran messen lassen müssen, ob sie will oder nicht, das Primat der Politik zumindest in den Köpfen der Menschen wieder zu verankern. Mit Geschenken an die Großindustrie wird das nicht getan sein. Schließlich heißt es: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Was die großen Geschenke bewirken, haben wir gesehen.