22 Mai 2005

Fischleder

Kennen Sie Mützingen? Im Wendland? Die "Kulturelle Landpartie"? In den vergangenen 25 Jahren fanden dort zwischen Himmelfahrt und Pfingstmontag Ausstellungen von Künstlern und Kunsthandwerkern statt. Ich war in Mützingen. Dort lernte ich ein hoffnungsvolles Zeichen für Globalisierung kennen. Wobei, bei näherem Nachdenken...

Weit weg von Deutschland, am Amur in Sibirien, lebt ein Volk, das von den Chinesen "Fischmenschen" genannt wurde, die Nanai. Sie kleideten sich in zusammengenähte, gegerbte Fischhäute, da ihr Hauptnahrungsmittel, der Lachs, eine ziemlich strapazierfähige Haut hat, die sich nicht nur trocknen, sondern auch mit Kräutern gerben läßt und dabei weich wie Tuch wird. Die Eroberung Sibiriens durch Rußland hat diesen Stamm verarmen lassen, alte Kulturtechniken sind vom Aussterben bedroht.

Diese Geschichte erzählte ein Lederhändler in Mützingen, das, wie gesagt, nicht in Bayern liegt. Er bot Gürtel und Taschen aus Rindsleder an mit hinreißend aussehenden Mustern aus Fischhaut. Das Ziel auch seiner Arbeit sei es, einen Markt für dieses Produkt zu finden, damit die Nanai wieder Fische fangen, Leder gerben und damit vor der Verelendung bewahrt würden. Wenn da mal nicht Putin vor ist.

Mehrere Seiten im Internet bestätigen diese Marketingidee. Die Künstlerin Mareile Onodera beschäftigt sich seit Jahren mit der Verarbeitung dieses Stoffs. Eine Ausstellung der beiden Künstler Mareile Onodora und Anatol Donkan, ein Nanai, ist seit April in Viechtach zu sehen. Die beiden arbeiten daran, die Idee zu verbreiten und dem Stamm am Amur zu helfen.

Genutzt werden übrigens nicht nur Lachshäute, sondern auch Barsch, Rochen, Hai, Karpfen, Forelle und andere. Ist das ganze nun eine hübsche Idee, um Kunsthandwerk zu vermarkten? Jedenfalls dienen diese Zeilen nicht dazu, am Wettbewerb um die Hommingberger Gepardenforelle teilzunehmen.

Im Wendland geht es um die Überreste des Atomstroms, die strahlenden Abfälle, die dieses Land noch in den nächsten 100.000 Jahren beschäftigen wird. Den Castor-Transporten mehr entgegenzusetzen als nur Demonstrationen wurde dieses Kulturereignis zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten ins Leben gerufen. Auf dass alle mit tausend Stimmen sprechen mögen. Dort nun fand sich der Reflex vom Amur, das Bemühen, auf einem globalisierten Markt Anschluß zu finden. Ich wünschte dem Projekt, es gelänge, mir bleiben Zweifel.

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